In unserer neuen Interviewreihe mit Cheftrainer Marco Wildersinn geht es um mehr als nur Taktik. In Teil 1 spricht Marco über seine Rückkehr zu den Stuttgarter Kickers, das Arbeiten in einem emotionalen Umfeld – und was ihn antreibt.
Marco, du wirkst oft sachlich und sehr konzentriert an der Seitenlinie. Wie nimmst du dich selbst wahr – als Typ und Trainer?
Ich bin ein sehr umgänglicher und geselliger Mensch. Meine Familie und Freunde sind mir sehr wichtig. Mit mir kann man hart diskutieren, aber auch viel Spaß haben. In meiner Rolle als Trainer bin ich klar in der Sache. Struktur und Ordnung sind mir wichtig. Ich mag es, dass ich eine verantwortungsvolle Aufgabe habe. Und ich will Erfolg – deshalb bin ich fokussiert. Trotzdem ist mir der persönliche Zugang wichtig. Ich interessiere mich für meine Spieler als Menschen, nicht nur in ihrer Rolle als Fußballer. Da geht’s auch mal um Themen abseits des Platzes. Ich bin jemand, der ehrliches und offenes Feedback gibt – und der es genauso gerne zurückbekommt. Auch wenn man in Gesprächen mal keinen Konsens findet, wächst so das gegenseitige Verständnis. Und das ist mir sehr wichtig.
Du warst bereits als Spieler bei den Kickers aktiv. Wie war deine Rückkehr im vergangenen Sommer für dich?
Sehr besonders. Ich war zwischen 2005 und 2008 schon als Spieler hier. Damals habe ich viele Leute kennengelernt – und überraschend viele davon waren bei meiner Rückkehr immer noch da. Rainer Lorz, Kim Stehle, Dieter Kerschbaum, Willi Mast, Enzo Marchese, Julian Leist – das sind vertraute Namen, die mir damals schon begegneten und heute noch immer eine wichtige Rolle spielen. Kim, Dieter und Willi haben dieselbe Position inne. Mit Enzo und Julian habe ich zusammengespielt, Rainer Lorz war Teil des Vorstands. Diese Kontinuität ist beeindruckend und gibt dem Verein Tiefe.
Marco Wildersinn begegnet Kickers-Urgesteinen wie Kim Stehle und Dieter Kerschbaum bereits zum zweiten Mal. Früher als Spieler, heute als Trainer.
Was hat dich im ersten Jahr besonders gefordert?
Mir war klar, dass es herausfordernd wird. Ich kam zu einem Verein, der ganz knapp am Aufstieg gescheitert war. Das Umfeld hatte verständlicherweise große Erwartungen. Gleichzeitig gab es intern die klare Vorstellung, dass sich etwas verändern soll. Die Rahmenbedingungen rund um das Team sollten weiterentwickelt und die Spielweise angepasst werden. Nach einigen Trainingswochen war klar, welche Veränderungen auch der Kader braucht. Gemeinsam mit der sportlichen Leitung haben wir den Weg besprochen. Jetzt sind wir mitten in einem Prozess. Solche Prozesse brauchen Zeit – und Geduld.
Du standest phasenweise in der Kritik – sportlich wie persönlich. Wie bist du damit umgegangen?
Ich verstehe, dass Fans emotional reagieren. Wer Leidenschaft, Zeit und Geld investiert, darf auch eine Meinung zu den sportlichen Entscheidungen haben, die ich treffe. Ich betrachte die Dinge nüchtern und analytisch und versuche meine Entscheidungen immer im Sinne des Erfolgs und des Vereins zu treffen. Fußball ist emotional und sehr ergebnisabhängig. So sind auch viele Meinungen, die von Außen an mich herangetragen werden. Am Ende kommt es immer auf die Art und Weise und die Wortwahl an und da werden manchmal Grenzen überschritten. Natürlich tun harte Kommentare weh – aber ich ordne sie ein. Und deshalb bleibe ich fokussiert bei meiner Aufgabe. Ich will unsere Mannschaft weiterentwickeln und dass sie erfolgreich, attraktiv und leidenschaftlich Fußball spielt.
Lutz Siebrecht, Geschäftsführer Sport (links), und Marco Wildersinn im Austausch.
Wie wichtig ist dir dabei der Rückhalt im Verein?
Sehr. Und der ist da. Ich spüre bei den Kickers Bodenständigkeit und Realitätssinn – das hat sich auch in den Gesprächen vor meinem Wechsel gezeigt. Ich bin gerne hier. Und ich will hier etwas aufbauen.
Danke dir, Marco!
In Teil 2 spricht Marco Wildersinn über die aktuelle Vorbereitung, Spielideen – und wie ihn seine Zeit in Hoffenheim geprägt hat.